Erklärung anlässlich der Reaktionen auf das Anschreiben zur geplanten Streichung des §219a StGB
Erklärung anlässlich der Reaktionen auf das Anschreiben zur geplanten Streichung des §219a StGB
Die vielen Reaktionen zeigen, dass wir ein hoch-sensibles Thema angesprochen haben, das die Menschen stark bewegt. Womöglich haben wir eine unglückliche Formulierung gewählt.
Wenn wir damit Frauen verletzt haben, so tut uns das leid. Dies war nicht unsere Absicht und selbstverständlich bitte ich als Vorsitzender des Vorstandes des Katholikenrats hierfür um Entschuldigung.
Niemand von uns unterstellt bei der Frage einer Abtreibung einen verantwortungslosen Umgang. Gerade deshalb verweisen wir in unserem Brief auf die existentiellen Sorgen und die schwierige Entscheidung der betroffenen Frauen und Familien.
Was wir befürchten, ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung mit einem veränderten Blick auf das Leben am Anfang und am Ende, die die betroffenen Frauen und Paare noch stärker unter Druck setzt.
Man muss diese Sorgen nicht teilen, ansprechen und in die Diskussion einbringen wollen wir sie dennoch.
Vielleicht zur Frage des §219a StGB selber. Isoliert betrachtet, kann niemand etwas dagegen haben, dass die betroffenen Frauen und Paare noch besser mit Informationen versorgt werden. Eine umfassende Information muss gewährleistet sein und ist es u. E. mit der 2019 gefundenen Regelung.
Aber die Frage des §219a ist eben eingebettet in einen insgesamt festzustellenden geänderten Blick auf den Umgang mit dem werdenden Leben.
Ich darf an Präsident Macron erinnern, der ein Recht auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta aufnehmen will.
Ich darf daran erinnern, dass das niederländische Parlament die bisher geltende Bedenkzeit zwischen Beratung und Vornahme des medizinischen Eingriffs gestrichen hat.
Und auch mit der Abschaffung des §219a wird u. a. ein Prüfauftrag verbunden, den §218 aus dem Strafrecht zu entnehmen und als Ordnungswidrigkeit zu behandeln.
Auch hier wird am Ende das Parlament entscheiden und die Entscheidung selbstverständlich von uns akzeptiert. Aber wir möchten auch hierzu unsere Sorgen und Bedenken äußern können.
Auch diese muss man selbstverständlich nicht teilen, jeder und jede hat eben eine andere und vermutlich gut abgewogene Meinung und Haltung dazu.
Auch darf ich betonen, dass wir nicht hinter erreichte Kompromisse zurückwollen, sondern den 2019 gefundenen Kompromiss bewahren möchten.
Hierzu wollten wir noch einmal deutlich machen, dass es im Kern um eine Güterabwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens geht.
Solche Abwägungen müssen wir immer wieder vornehmen. Und beides hat, wie wir in unserem Schreiben zum Ausdruck bringen, einen hohen Wert.
Ich bedauere sehr, dass der eigentlich angestrebte sachliche Austausch von Sorgen, Gedanken, Haltungen und Argumenten durch unsere missverständliche Formulierung nicht gelungen ist.
An einem solchen Austausch sind wir allerdings weiterhin sehr interessiert.
Thomas Gäng