Anlässlich des Todes von Papst emeritus Benedikt XVI.

Katholikenratsvorsitzender Thomas Gäng:

Wir danken Papst Benedikt XVI. für sein reiches Wirken in der katholischen Kirche. Mit ihm verlieren wir einen großen Papst, Theologen und Lehrer der Kirche.

„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die Heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich empfangen, und mit Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben Dich erfreuen. Amen“

Stadtdechant André Müller:

Papst em. Benedikt ist heute am Silvestertag um 9.34 Uhr gestorben. Es stimmt mich traurig, gleichzeitig weiß ich ihn nun beim Herrn.

Was zeichnet ihn aus?

Es gilt dabei auf Bücher, Artikel, Vorlesungen, Katechesen und Predigten zu achten, die zum Teil den Rang eines „modernen Klassikers“ der Literatur eingenommen haben, oder auf der ganzen Welt in verschiedenen Sprachen übersetzt worden sind.

Dazu kommt die zeitliche Dimension. Ein Werk, das in über sechs Jahrzehnten entstanden ist, ist zugleich eine Schau auf die Geschichte der Kirche und der Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts.

Welche Themenvielfalt sich darin ausdrückt wird jedem deutlich, wenn er auf das Gesamtwerk, das zu einer Gesamtausgabe zusammengetragen wird, blickt. Sicher werden es über 30.000 Seiten am Ende sein, die das wissenschaftliche Werk eines der großen Gelehrten auf dem Stuhl Petri in Rom dokumentieren und für die Forschung zur Verfügung stellen. Die New-York-Times zeichnete ihn als einen der gelehrtesten Menschen des des 20. Jahrhunderts.
Es gibt Grundlinien in seinem Schaffen, die immer deutlich gezeichnet, das Werk des Professors, des Bischofs, des Kardinals und des Papstes durchziehen.

Der Gottesdienst – von Christus gesammeltes Volk

Da ist einmal die Feier des Gottesdienstes. Dort, wo Menschen zusammengerufen werden von Christus, sind sie in besonderer Weise eine Gemeinschaft des Gebetes und der konkreten Verwirklichung dessen, was wir die Kirche nennen. Wir sind als Menschen von Gott geschaffen. Und wir sind als Menschen von Jesus Christus gerufen in die Gemeinschaft des Volkes Gottes. Und welche Antwort geben wir auf diesen Ruf Jesu: Zum einen natürlich, dass wir ein Leben führen nach den Geboten Gottes, dass wir würdige Menschen sind im Umgang mit anderen. Im Glauben wird der andere Mensch zum Nächsten, der meiner Hilfe bedarf. Und natürlich danken wir Gott für unser Leben in der zentralen Feiern unseres Glaubens – in den Gottesdiensten, in denen wir zur lobenden Gemeinschaft der Kirche werden. Kirche ist der Ort, wo wir diesem Ruf Jesu auf das innigste annehmen und verstehen.

Glaube ist Begegnung mit einer Person

Unser Glaube ist, so Joseph Ratzinger, keine Idee, kein Regelwerk, keine Schablone oder reine Struktur. Es ist die Größe unseres Glaubens, dass wir in Jesus von Nazareth einem Menschen begegnen, der nicht nur Mensch ist, sondern Gottes Sohn. Eine Person, an die wir uns richten dürfen in unseren Nöten und Freuden, mit unserer Last und unserem Glück. Eine Person, die sich den Menschen zugewandt hat, sie gelehrt und geheilt und ihnen – auch uns heute – die Botschaft vom Heil verkündet hat. Diese Beziehung zu Jesus von Nazareth ist eine Besonderheit des christlichen Glaubens, die Joseph Ratzinger nie müde wurde zu bezeugen. Wir können uns als Menschen an Christus wenden. Er ist eine Gestalt der Geschichte und er ist der Sohn Gottes, der in die Welt gesandt wurde, damit er uns erlöst.

Dynamischer Glaube

Worauf es Joseph Ratzinger immer ankommt ist, dass unser Glaube ein dynamisches Geschehen ist. Es gibt nicht irgendwann einen ersten Punkt, der gesetzt wurde, und dann ist der Mensch auf sich allein gestellt. Glaube ist eine Beziehung. Ein Geschehen zwischen Gott und dem Menschen. Es gibt nie ein Ende in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Jeden Tag wird ein Stück von Gott offenbar: jeden Tag werden Menschen geboren, die von Gott geliebt werden. Jeden Tag beten Menschen zu Gott. Jeden Tag denken Menschen über ihr Leben und dessen Sinn nach und jeden Tag werden wir von Gott reich beschenkt. Wir leben und wir können uns an ihn wenden. Dieses Leben im Glauben ist tagtägliche Offenbarung Gottes an uns Menschen. Nie abgeschlossen. Immer wieder aufs Neue werden wir Zeugen seiner Gegenwart. Dass Gott uns liebt und uns geschaffen hat, hängt damit zusammen, dass Gott selbst die Liebe ist. Denken wir an die erste Enzyklika von Benedikt XVI. Der Titel des ersten großen Lehrschreibens lautet „Deus caritas est“ – Gott ist die Liebe. Liebe will sich mitteilen, begeistern, in Beziehung treten, will das Gute für den Menschen. Bereits als 19-jähriger Student hat Benedikt XVI. einen Text des mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin aus dem Lateinischen übersetzt: er trug den Titel: Untersuchung über die Liebe. Ein roter Faden durch 60 Jahre wissenschaftliches und predigendes Wirken eines wahren Arbeiters im Weinberg des Herrn.

Unermüdlich das Wort Gottes verkünden

Was macht den Theologen Ratzinger noch aus? Es ist seine Sprache, die den Leser und den Hörer in Bann zieht. Fast poetisch erklärt er den Glauben, hilft den Menschen ihn zu verstehen und tiefer anzunehmen. Es sind aufbauende Worte, Trost spendende Gedanken, die Bibel erklärende Sätze – es ist das Schöne unseres Glaubens, das in den Mittelpunkt rückt und dem Menschen die Hilfe schenkt, die er so oft in seinem Leben braucht. Das gelingt keinem akademisch verschlossenen Prediger, sondern einem Hirten, der sich um die Menschen müht, die ihm anvertraut sind. Liebe zu Gott und zu den Menschen, Glaube und Leben, Schönheit und Wahrheit – das sind die großen Themen, die Joseph Ratzinger als Professor gelehrt und als Priester und Bischof und Papst gepredigt hat. Wir dürfen ihm danken, dass er uns in all den Jahren diese Schönheit des Glaubens immer wieder ans Herz gelegt hat.